Berthold Steinhilber Photography

Faces of Jesus

Portraits von Jesus Darstellern bei Passionsspielen

Seit 2008 portraitiere ich Menschen, die Jesus bei Passionsspielen spielen und stelle ihnen persönliche Fragen zu den Veränderungen, die sich durch die Übernahme der Rolle ergeben haben. Diese Männer spielen über Wochen und Monate hinweg die Rolle Jesu. Die Fragen drehen sich um ihre Erfahrungen während des Prozesses vor den Hohenpriestern, dem Statthalter Pontius Pilatus, der Auspeitschung durch römische Legionäre, dem Weg zur Hinrichtungsstätte Golgota und ihrem Eindruck vom Sterben am Kreuz und ob ihr jeweils eigenes Christusbild in das Spiel eingeflossen ist.
Die Darsteller sind fast immer Laien: etwa Handwerker, Künstler, Polizisten, Finanzbeamte – einer mitten aus der Gesellschaft, einer von uns.

Welches Bild hat unsere Gesellschaft von Jesus? Welches Jesusbild passt zu unserer eigenen Vorstellung? Auf den ersten Blick setzt sich die Serie mit der faszinierenden Frage auseinander, wie Jesus tatsächlich ausgesehen haben könnte. Über Jahrhunderte hinweg haben sich Künstler, Maler, Bildhauer und Fotografen mit dem Bild und Aussehen von Jesus auseinandergesetzt. Das Jesusbild hat sich in den letzten 500 Jahren kaum verändert: lange Haare und Bart sind meist ein Muss.

„Your own personal Jesus
Someone to hear your prayers
Someone who cares
Your own personal Jesus

Reach out, touch faith“

Depeche Mode "Personal Jesus"

„Im Namen der Religionen ist viel Unsinn verbreitet worden – vom Unrecht ganz abgesehen. Ich habe keine Angst vor der Festlegung auf den Glauben, aber auf die Festlegung von kirchlichen Dogmen. Ich habe den Kommunismus erlebt, dieses geistige Niemandsland, die Unterdrückung und die verbotenen Treffen mit Gleichgesinnten während dieser Zeit. Ich bin ein Vertreter der Freiheit. Aller Freiheit.“

František Hladký
Jesus von Hořice

„Das erste „Probehängen“ war äußerst beeindruckend und hat mich einige Zeit beschäftigt. Man fühlt sich völlig ausgeliefert und exponiert und einfach ganz schlecht! Im Lauf der Zeit kann man sich davon ablenken, indem man sich auf die Aufgabe konzentriert. Trotzdem ist der Moment des Sterbens unfassbar, absolute Stille! Danach wird es hart…da ist man plötzlich sehr mit sich und allein und kann auch schon mal nervös werden.“

Andreas Richter
Jesus von Oberammergau

„Nichts wäre schlimmer, als säuslerisch, pathetisch und überheblich zu wirken. 2000 war Jesus noch als Revoluzzer angelegt. Jetzt ist er eher nachdenklich und macht auch vor seinen Jüngern aus seinen Ängsten keinen Hehl.“

Frederik Mayet
Jesus von Oberammergau

„Die Rolle hat bewirkt, dass ich viele Dinge im Leben anders sehe. Es kennt doch kaum noch einer aus meiner Generation die biblische Geschichte. Die Mythen und Welten all der Computerspiele und Fantasyspiele ersetzen doch alles. Apostel sind doch heute wie Figuren vom anderen Stern.“

Bernhard Schmid
Jesus von Litzldorf

„Religionen fallen nicht vom Himmel. Religionen sind Menschenwerk. Religiösität und Kirchlichkeit sind nicht dasselbe.“

Franz Poschenreithner
Jesus von Dorfstetten

„Die Päpste, die Kardinäle, die Bischöfe führen sich auf, als gäbe es dieses dramatische Problem nicht, dass die europäischen Christen die Grundsubstanz des Glaubens verlieren“.

František Hladký
Jesus von Hořice

„Der Sinn deines Lebens besteht nicht darin, ständig nach diesem zu suchen, sondern offen zu sein für Erfahrungen, Gefühle und Glauben, die diesen Sinn dann in sich erkennen lassen.“

Lothar Krämer
Jesus von Schönberg (Belgien)

„Für mich ist die Ölberg-Szene die schwierigste Stelle. Hier bin ich allein auf mich gestellt. Für Jesus war es wohl auch die schwerste Stunde. Jesus weiß, dass die Zeit gekommen ist und blickt seinem eigenen Tode ins Auge. Er hat niemanden, der zu ihm steht. Es ist auch eine Art Hilferuf von Jesus an seinen Vater.“

Alexander Lang
Jesus von Auersmacher

Bis heute habe ich 28 Porträts fotografiert. Da die meisten Passionsspiele nur alle paar Jahre im Abstand von 4, 5, 7 oder 10 Jahren aufgeführt werden, wird diese Arbeit wohl noch weitergehen. Zu Beginn der Corona Pandemie 2020 wollte ich noch zwei Porträts fotografieren, aber die Passionsspiele wurden abgesagt. Wie es weitergeht ist offen.

Man hat mich oft nach meiner Motivation und der Idee zu dieser Serie befragt. Ich saß im Spätherbst 2007 an meinem Rechner und bearbeitete unzählige Porträts von Managern und Mitarbeitern von Unternehmen. All die Zeit sah ich die Gesichter größer als in Realität auf meinem Bildschirm. Die Spuren des Leben zeichneten sich in jedem Gesicht ab. Falten, Augenringe, rote Flecken, Hautveränderungen – all diese Zeichen, die viele meiner Auftraggeber aber „bereinigt“ und „geschönt“ haben wollten. Irgendwann in diesen endlosen Stunden der Photoshop-Retusche tauchte wie aus dem Nebel diese Idee nach „Faces of Jesus“ auf…ganz langsam… Im Sommer 2008 fotografierte ich den ersten Darsteller im tschechischen Passionsspielort Hořice.

Mein Interesse gilt der Erforschung des Jesus Bild durch die Fotografie. Ich stellte über die Jahre fest, dass die Fragen an die Darsteller weniger von Bedeutung waren, wie ich zu anfangs dachte. Wichtig war das Porträt. Wichtig war die Vorstellung, die sich jeder Betrachter vom Jesus Darsteller machen konnte. Damit das gut funktionierte, musste ich die Porträts überlebensgroß zeigen: das Minimum des Prints war 60 x 75 cm und sollte in Reihen oder Gruppen präsentiert werden. Erst in dieser Kombination begannen die Faces of Jesus Bilder richtig zu wirken.

Der Frage, wie ich mir Jesus vorstelle, weiche ich gerne aus. Was ich aber weiß bzw. ahne, ist, dass wenn Jesus heute um die Ecke biegen würde, ich ihn wahrscheinlich nicht erkennen würde.