Die Kultur der Schlafzimmer
The culture of bedrooms
Das Schlafzimmer meiner Oma mußte wohl so etwas wie ein heiliger Ort sein. Als Kind durfte man ihn nicht betreten. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen, wenn die Großmutter vielleicht etwas suchte, durfte man in diesen Raum eintreten. Aber dann verwandelte er sich in einen magischen Ort. Der große Spiegel der Friesierkommode verzerrte das eigene Bild, darunter Haarbürsten, Haarspangen und viele nie gesehene Gegenstände, ungewohnte Gerüche von unbekannten Seifen, schwere Schubladen und dann das riesige Bett mit dem ehrfürchtigen Heiligenbild der jungen Maria mit dem Jesuskind darüber. Ein Abenteuer.
Viele Jahre später, die Oma wohnte längst mit uns zusammen, erlaubte sie mir, diesen Raum zu fotografieren… So begann die Geschichte, wie ich ins „Zimmer der Geheimnisse“ kam und angefangen habe, Schlafzimmer zu fotografieren.
Zuerst fotografierte ich Schlafzimmer aus der Generation meiner Oma, also aus den 1930er und 1940er Jahren. Viele der Schlafzimmer befanden sich im Originalzustand, so wie es einst das damals junge Ehepaar nach der Heirat eingerichtet hatte. Dieselbe Tapete, dasselbe Bild und auch dieselbe Bettwäsche.
Das Bild hinter dem Bett an der Wand lässt auf die Konfession des Paares schließen: Katholiken wählten ein Bild mit einer Darstellung von Maria, während Protestanten Bilder mit Motiven von Jesus und Engeln bevorzugten. Die Bilder wurden sehr oft von fahrenden Handelsvertretern verkauft, die bis zu 10 Bilder mit religiösen Motiven im Angebot hatten.
Ich hatte festgestellt, dass die Frau meist auf der rechten Seite des Bett schlief (auf dem Bild also links) und der Mann links. Oft hingen kleine Kreuze an der Wand, die das Ehepaar zur Hochzeit bekommen hatte und die mit auf die letzte Reise gingen.
Auf vielen Bildern zeigt der Wecker die Todeszeit des Ehepartners an. Manchmal wurde das Bettzeug des Verstorbenen entfernt, manchmal ließ man das Bett so wie es war.
Viele der 80- bis 90-jährigen Besitzer dachte nicht daran, das Bett durch moderne Betten zu ersetzen, einzig gesundheitliche Gründe oder der Verlust des Partners konnten daran etwas ändern.